Lindaus Stadtgeschichte
Um 200
wird auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Aeschach eine große Villa errichtet, deren Relikte am ”Römerpark” zu sehen sind. Sie ist das bedeutendste Zeugnis der römischen Siedlungstätigkeit in unserem Raum.
882
verfasst ein St. Galler Mönch diejenige Urkunde, die den ältesten sicheren schriftlichen Beleg des Namens Lindau enthält. Der Name bedeutet ”Insel, auf der Lindenbäume wachsen”.
Daran erinnern bis heute das seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare Stadtwappen. Bei seiner Ersterwähnung bezog sich der Name Lindau auf ein adliges Frauenkloster, das 882 bereits auf der Insel bestand. Der Legende nach soll es um 800 von Graf Adalbert von Rätien zum Dank für seine Rettung aus Seenot gegründet worden sein. An das Stift erinnern heute noch seine letzten Kirchen- und Konventsgebäude (das katholische „Münster Unserer Lieben Frau“ bzw. das benachbarte Amtsgericht und Landratsamt).
Außer den Nonnen leben im 9. Jahrhundert noch Fischer auf der Insel, deren Siedlung abseits vom Kloster im Gebiet der Peterskirche, dem ältesten Gotteshaus Lindaus, vermutet wird.
1079
verlegt das Kloster Lindau aus Sicherheitsgründen seinen Markt, den es bisher auf dem Festland in Aeschach abgehalten hat, auf die Insel. Zwischen Stift und Fischerdorf entsteht eine aufblühende Kaufmannssiedlung. Wohl seit dem 14. Jahrhundert verbindet eine Brücke die Insel mit dem Festland.
1213/1225
werden erstmals die Handelsbeziehungen der Stadt nach Italien greifbar, die bis ins 19. Jahrhundert eine wichtige Säule der Lindauer Wirtschaft bilden. Wohl seit dem späten Mittelalter unterhält die Stadt Lindau den ”Mailänder Boten”. Bis 1826 transportiert er regelmäßig Nachrichten, Waren und Personen vom Bodensee durch das Rheintal und über die Bündner Pässe nach Oberitalien.
1224
lassen sich Franziskaner (”Barfüßer”) in Lindau nieder, deren Klosterkirche heute das Stadttheater beherbergt (Fischergasse 37).
1237
hören wir erstmals vom Lindauer Heilig-Geist-Hospital. Als evangelische Hospitalstiftung besteht die Einrichtung bis heute an ihrem mittelalterlichen Standort zwischen Stadtmauer und Schmiedgasse fort.
1274/75
wie vielen anderen Städten auch, verleiht König Rudolf I. , Lindau wichtige Freiheiten und Rechte. Es entwickelt sich die Freie Reichsstadt mit Selbstverwaltung, die nur den Kaiser bzw. König als Oberhaupt anerkennt.
1358
wird das bis heute erhaltene Haus ”Zum Sünfzen” (Maximilianstr. 1) errichtet. Bauherr ist die gleichnamige Gesellschaft, in der sich die führenden Lindauer Kaufmannsfamilien, das Patriziat, zusammengeschlossen haben. Sie bestimmen, zum Teil in Auseinandersetzung mit den Zünften der Handwerker, die Geschicke der Reichsstadt über Jahrhunderte hinweg.
1422-1436
erbaut die Stadt an der Stelle eines Rebgartens das heutige Alte Rathaus.
1466
erhält die Äbtissin des Damenstifts die Würde einer weltlichen Reichsfürstin.
1496/97
tagt im Alten Rathaus ein Reichstag, d.h. eine Versammlung von Reichsfürsten und –städten. Das Freskenband an der südlichen Fassade des Alten Rathauses zeigt den Einzug Herzog Philipps von Burgund in Lindau. Philipp vertrat seinen Vater, Kaiser Maximilian I., der selbst nicht am Reichstag teilnahm.
1528
wird die Stadt Lindau evangelisch. Durch den Glaubenswechsel wird Lindau auch in konfessioneller Hinsicht zu einer Insel, denn die gesamte Umgebung bleibt mit Ausnahme der wenigen, zur Stadt Lindau gehörenden Dörfer auf dem Festland katholisch, ebenso das Damenstift auf der Insel.
1646/47
kommt es zur Belagerung Lindaus während des 30-jährigen Krieges. Schwedische Truppen versuchen die Stadt zu erobern, scheitern jedoch am Widerstand der Bürger und der kaiserlichen Besatzung unter dem Grafen Waldburg-Wolfegg. Lindau bleibt daher von Plünderungen und dergleichen verschont.
1648
beendet der Westfälische Frieden den 30-jährigen Krieg. Lindau wird seine politische und konfessionelle Eigenständigkeit garantiert. Maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg hat der Lindauer Diplomat Valentin Heider.
1655
werden regelmäßige Schulpredigten eingeführt, um die Lindauer Bevölkerung vom Sinn des städtischen Unterrichtswesens zu überzeugen. Aus den Schulpredigten hat sich im Laufe der Jahrhunderte das Lindauer Kinderfest entwickelt. Als "Lindauer Nationalfeiertag" nimmt es heute eine zentrale Stellung innerhalb des städtischen Festkalenders ein.
1728
verwüstet ein verheerender Stadtbrand den Stiftsbezirk und angrenzende Stadtviertel. Nur die evangelische Stephanskirche bleibt verschont. Beim Wiederaufbau erhalten Stift, Stiftskirche (das heutige „Münster Unserer Lieben Frau“ und Markt (Haus zum Cavazzen und Haus zum Baumgarten) das barocke Gepräge, das sie bis heute kennzeichnet.
1782-1796
steht Friederike von Bretzenheim dem Lindauer Damenstift vor. Sie dient dem Schriftsteller . Horst Wolfram Geißler (+ 1983) als Vorbild für die weibliche Hauptfigur seines Romans „Der liebe Augustin“, der 1921 erscheint und rasch zum Lindauer „Nationalepos“ wird.
1802
werden infolge der Französischen Revolution von 1789 alle Klöster und Reichsstädte aufgehoben. Die Stadt Lindau und die Besitzungen des Damenstiftes fallen an den Fürsten Karl August von Bretzenheim, der seine Neuerwerbungen jedoch bereits 1804 an Österreich weitergibt.
1805/06
muss Österreich Lindau an Bayern abtreten. Seitdem besitzt Bayern einen Zugang zum ”Schwäbischen Meer”.
1808/18
verliert die Inselstadt Lindau ihr Landgebiet, das auf die drei neuen selbstständigen Gemeinden Aeschach, Hoyren und Reutin verteilt wird.
1838
wird in Lindau das erste eiserne Dampfschiff auf dem Bodensee, die ”Ludwig”, in Dienst gestellt.
1842/47
erbaut der in Italien zu Vermögen gekommene Lindauer Großkaufmann F. Gruber am Schachener Seeufer die Lindenhofvilla. Dank zahlreicher Nachahmer, darunter die bayerische Königsfamilie, entwickelt sich an der ”Bayerischen Riviera” ein Villengürtel, der zu einem großen Teil noch heute zu bewundern ist.
1853/54
erreicht die Eisenbahn über den damals errichteten Damm die Inselstadt Lindau.
1856
wird der neue Seehafen als Schnittstelle für Dampfschifffahrt und Eisenbahn fertig gestellt. Als südwestliche Eingangspforte Bayerns erhält er einen repräsentativen Charakter. Seitdem schmücken der neue Leuchtturm und der steinere bayerische Löwe die Hafeneinfahrt, der längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist.
1900
nimmt das erste Lindauer Elektrizitätswerk seinen Betrieb auf.
1903
zieht das Militär in die neu errichtete, nach dem damaligen bayerischen Prinzregenten benannte Luitpoldkaserne auf der Hinteren Insel ein.
1922
werden die 1808/18 abgetrennten Festlandsgemeinden wieder mit Lindau vereinigt.
1945
besetzen am 30. April französische Truppen kampflos die Stadt, die den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstanden hat. Zusammen mit dem Landkreis Lindau dient sie in den folgenden Jahren als Landbrücke zwischen den französischen Besatzungszonen in Südwestdeutschland und Österreich. Stadt und Landkreis Lindau werden damit vom übrigen Bayern, das amerikanisch besetzt ist, abgetrennt und erhalten einen staatsrechtlichen Sonderstatus. Ein Kreispräsidium wird oberstes Verwaltungsorgan. Es besitzt Kompetenzen, die anderswo von Landesbehörden wahrgenommen werden.
1950
rollt die erste Roulette-Kugel in der Lindauer Spielbank; die ersten Lindauer Psychotherapiewochen werden abgehalten.
1951
findet die erste Lindauer Nobelpreisträgertagung statt.
1954
lässt Felix Wankel, der seit 1936 in Lindau lebt, das Prinzip des nach ihm benannten Drehkolben-(Rotations-)Motors patentieren.
1955
regelt die ”Lex Lindau” die Rückgliederung des ”Landkreisstaats” Lindau nach Bayern, die 1956 abgeschlossen ist.
1963
erleben die Lindauer die bislang letzte ”Seegfrörne” (der ganze Bodensee ist zugefroren).
1964
begründen Lindau und die französische Stadt Chelles bei Paris eine intensive Partnerschaft.
1973
wird der erste Teil der Lindauer Fußgängerzone eingeweiht.
1976
vergrößert sich Lindau durch die Eingemeindung von Reitnau, das erstmals 805 urkundlich erwähnt worden ist.
1981
können die Lindauer mit der Inselhalle ein modernes Tagungs- und Veranstaltungszentrum in Besitz nehmen.
1987
stürzt die Stuckdecke der katholischen Stiftskirche in das Kircheninnere herab.
1994
nimmt das neue Stadtbussystem seinen Betrieb auf.
1998
ist die neue hochmoderne Kläranlage fertig gestellt.
1999
sucht an Pfingsten ein Jahrhunderthochwasser die Inselstadt heim.
2000
werden die Neubauten der Seebrücke und der Spielbank ihrer Bestimmung übergeben. Die Psychotherapeuten und auch die Nobelpreisträger treffen sich zum 50. Mal in Lindau (B), die Lindauer Marionettenoper wird ins Leben gerufen, und in Reutin entsteht ein modernes Einkaufszentrum („Lindaupark“).
2001
wird in Deutschland eine einmalige Einrichtung eröffnet: die „Friedensräume“ in der Villa Lindenhof.
2002
entsteht in der ehemaligen Luitpoldkaserne auf der Westlichen Insel das Wirtschafts- und Bildungszentrum Luitpoldpark.
2003
wird auf der Westlichen Insel in unmittelbarer Nachbarschaft des Luitpoldparks der Neubau der Bodensee-Klinik für ästhetische Chirurgie (Prof. Dr. Dr. Werner Mang) seiner Bestimmung übergeben.
2004
Die Industrie- und Handelskammer Lindau und diejenige für Augsburg und Schwaben schließen sich zur IHK Schwaben zusammen.
Erstmals kommen Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften in Lindau zusammen. Ihre Tagung ergänzt künftig in zweijährigem Rhythmus das traditionsreiche Treffen der Nobelpreisträger aus Medizin und Naturwissenschaften.
2005
werden zwei wichtige Jubiläen gefeiert, die urkundliche Ersterwähnung des Ortsteilnamens „Reitinauwia“ / (Ober- und Unter-) Reitnau vor 1200 Jahren und die Anfänge des Kinderfestes vor 350 Jahren.
2010
erwirbt die Stadt Lindau von den Stadtwerken Konstanz ihr wichtigstes „Aushängeschild“, den Seehafen mit Löwen und Leuchtturm. Der Hafen war seit dem 19. Jahrhundert im Bahnbesitz, bis die DB AG die Bodenseeschifffahrtsbetriebe (einschließlich Hafenanlagen) ausgliederten und 2003 an die Stadtwerke Konstanz verkauften.
2011
Die Lindauer Musikschule feiert ihr 60-jähriges Bestehen.
2014
Chelles und Lindau begehen feierlich das 50-jährige Bestehen ihrer Städtepartnerschaft.
2015
Die Sanierung der Inselhalle beginnt. Sie wird bedarfsgerecht erweitert, damit sie auch in Zukunft Kongresse und Veranstaltungen wie die Lindauer Nobelpreisträgertagung beherbergen kann. Der Freistaat Bayern beteiligt sich maßgeblich an den Kosten.