Direkt zu:

Das Lindauer Kinderfest - Geschichte & Tradition

Die ehemals Freie Reichsstadt Lindau feiert alljährlich im Sommer, kurz vor Beginn der großen Schulferien, das Lindauer Kinderfest. Dieses große Schüler- und Heimatfest, das tief in der Geschichte der Stadt verwurzelt ist, vereint alle Bürgerinnen und Bürger, ob jung oder alt, die voller Stolz und Dankbarkeit ihre Inselstadt am Bodensee hoch leben lassen. Viele Lindauer, die in der Fremde leben, kehren zum Kinderfest in die Heimat zurück, um alte Freunde zu treffen.

Seinen Ursprung hat das Lindauer Kinderfest in der Mitte des 17. Jahrhunderts. In Ratsprotokollen vom November 1654 ist ein Beschluss über die Einführung von sog. Schulpredigten dokumentiert, die als historischer Kern des Kinderfestes gelten. Der Rat der Stadt wollte seinerzeit seine Untertanen mit geeigneten Maßnahmen zu einem Gott gefälligen Leben erziehen. Mit den Schulpredigten, die sich in erster Linie an die Eltern der Schulkinder richteten, sollten Sinn und Notwendigkeit des Schulsystems und des Schulbesuchs vermittelt werden. Die Eltern sollten daran erinnert werden, ihre Kinder pflichtbewusst zu erziehen, sie zu regelmäßigem Schulbesuch anzuhalten und die Autorität der Lehrer zu achten. Auch sollte der Lebenswandel der Jugendlichen selbst gebessert werden.

Als Entstehungsjahr betrachten wir das Jahr 1655, in dem am 7. Juni die erste Schulpredigt gehalten wurde. In diesem Jahr erhielten die Schulkinder aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums des Augsburger Religionsfriedens erstmals sog. Butschellen, ein süßes Rosinengebäck (vom lateinischen "buccella", ein kleiner Mundbissen). Seit 1662 sind die typischen Elemente des Lindauer Kinderfestes dokumentiert, die noch heute wichtige Bestandteile des Festtages sind, so das Wecken um 6 Uhr, der Festgottesdienst, der feierliche Umzug, die blumenbekränzten Mädchen, die Unterrichtsbefreiung und die Ausgabe von Butschellen.

Die Lindauer hatten seinerzeit allen Grund zum Feiern. Der Dreißigjährige Krieg, der die Stadt durch eine Belagerung der Schweden 1646/47 in Atem gehalten hatte und der Abzug der kaiserlichen Garnison aus der Stadt ließen die Bürger aufatmen. Der Friede war in Lindau wieder eingekehrt. Großen Anteil an dieser positiven Entwicklung hatte Dr. Valentin Heider, einer der größten Söhne unserer Stadt. Er war wie sein Vater Stadtsyndikus und vertrat Lindau und mehrere andere Städte bei den Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück. Seinem diplomatischen Geschick ist es zu verdanken, dass Lindau seine alten Rechte als Freie Reichsstadt wieder erhielt. Trotz angeschlagener Gesundheit und verlockender Angebote, höchste Stellen im Reich zu bekleiden, blieb er seiner Heimatstadt treu, deren Freiheit und Friede ihm am Herzen lagen. Als Vorsitzender des Kirchen- und Schulrates erreichte er im Magistrat die festliche Ausgestaltung der Schulpredigten und gilt daher als Begründer des Kinderfestes.

Längst ist das Lindauer Kinderfest ein Fest der gesamten Stadt. Immer noch aber stehen die Schulkinder im Mittelpunkt, die im Festzug vor das Alte Rathaus ziehen. Noch heute orientiert sich das Kinderfest in seinen wesentlichen Bestandteilen an den historischen Vorgaben.

Wie tief dieses Fest in den Herzen der Lindauer verankert ist, kann man aus dieser Passage des Geleitwortes zur Festschrift des 325-jährigen Jubiläums erkennen: "Wer erlebt, wie tausende festlich gekleideter Kinder, geschmückt mit Fahnen und Blumen, mit strahlenden Augen ihre Stadt und Heimat hochleben lassen und für sie Gottes Segen erflehen, der wird von tiefer Rührung erfasst und erkennt, welch große Bedeutung, welch tiefer Sinn und welch eine riesige, stets erneut belebende Kraft von diesem Fest ausgehen."